David Means: Assorted Fire Events, Fourth Estate, 165 Seiten

Die Geschichten, die meisten, machten mir Mühe. Sprachlich, obwohl ich mich für einen guten Englisch-Leser halte. Aber David Means ist - vielleicht vergleichbar mit David Foster Wallace - ein passionierter Wortfinder an den Rändern der Sprache und baut ebenfalls gerne lange, mäandernde Sätze. Sei‘s drum, die Geschichten jedenfalls rechtfertigen die Mühe.


Alle Geschichten scheinen einem Motiv zu folgen, abgesehen davon, dass sie alle in der gleichen Region Amerikas, meist entlang des Hudson Rivers, aber nicht in New York selbst spielen: Irgendwann fährt immer ein Zug durch die Geschichten oder sie spielen gleich in der Nähe der Gleise. Und noch etwas eint die Storys: in allen wird gestorben oder der Tod ist nah oder man ahnt zumindest das Ende von etwas.


Die erste Geschichte „Railroad Incident“ führt einen von der Form her aber in die Irre, denn das postmoderne Spiel - es passiert etwas und dann wird uns erzählt, es ist ganz anders passiert, und dann doch nicht - taucht nur in dieser Erzählung auf. Alle anderen sind zwar genauso sprachlich dicht und meistens nicht im klassischen Short Story Stil lakonisch um eine einschneidende menschliche Begegnungen herum aufgebaut, sondern sie fliegen in die Zukunft und Vergangenheit in den Köpfen der Protagonisten, die sich in der Geschichte meist aber nur mit banalen Alltagsdingen, Autofahren, Arbeiten, Sex. „Railroad Incident“ ist genau das; ein Spaziergänger, der für sich sein wollte begegnet seinem Albtraum in  Gestalt von vier jungen „white trash“ Tpyen, die ihn an ihrem Lagerfeuer neben den gleisen foltern und totschlagen, während uns der Autor (wie bei Funny Games von Haneke) zwischendurch auf die falsche Fährte lockt und damit vorführt, wie sehr wir schon in dem Happy End Diktat gefangen sind oder uns einfach immer wünsche, dass alles gut ausgeht. Das geht es in Means Geschichten selten oder wenn sie kein klares Ende haben, ahnt man nichts Gutes. Aber dennoch sind seine Stories nicht deprimierend oder düster. Sie sind glasklar.


Eine der kürzeren „handelt“ von den Gedanken eines Mannes beim Sex und den Folgen dieser Gedanken, ihr Name ist der Inhalt: „Coitus“.

Eine andere beschreibt die Nacht eines Depressions-Flüchtlings in den 20er Jahren, der sich an eine Stufe eines Frachtzuges quer durch die Wüste klammert und dabei über sein und das Leben im allgemeinen sinniert. „The Grip“

Ein Mann spürt in „The Reaction“ ein Kratzen im Hals und hält das für ein Vorzeichen von Veränderungen und seines Alters.

„The Interruption“ von einem Penner, der eine Hochzeitsparty sprengt und dadurch diese erst erinnerungswürdig macht, (wenn auch das Paar sich bald scheiden lässt und die aufflammende Gewalt unter den schicken Anzügen und Kleidchen eigentlich auch eine Geschichte sind).

Und eine, „The Widow Predicament“ erzählt, wie ein altes Sexvideo vom Honeymoon eine Witwe und ihren neuen Freund zeigt, was Worte zwischen ihnen nicht sagen können. Sie hatte die Liebe, nun hat sie nur noch den Sex.


Zusammen sind die 13 Geschichten verglichen mit dem, was der deutsche Markt so hergibt, jedenfalls ein erneuter Beweis, dass in der englischsprachigen Welt, die Short Story eine eigene Kunstform und nicht nur Nebenprodukt von „echten Büchern = Romanen“ ist. Entsprechend vielseitig und kunstvoll ist diese Sammlung, die das zweite Buch des auch mit als „ganz großer seiner Generation“ gefeierten Autors.