Josh Bazell: Beat the Reaper, Back Bay Books 2009, 295 Seiten

Ein Krimi. Mein erster seit ungefähr 15 Jahren. Und jener ist  mein allererster gewesen. Das Genre, so klassisch es ein mag und in den letzten Jahren wie Fußball auch in intellektuellen Kreisen akzeptabel geworden, hat mich nie gereizt. Schon gar nicht die doofen „Who‘dunnit“ Geschichten a la Agatha Christie. Und dann diese ganzen Schweden mit ihren depressiven Kommissaren und Verbrechen, die einem schon als Film den Sonntagabend verderben - da lese ich lieber Erbauliches: auch im Urlaub und auch wenn ich krank bin.


Beat the Reaper versprach aber mehr zu sein. Bücher kommen meist ohnehin zu mir durch Zufall und fühlen sich dann falsch oder richtig an, ohne dass ich sagen könnte warum. Beat the Reaper (auf deutsch „Schneller als der Tod“ und gerade bei Fisher erschienen) kam mir als Arztserienfan, Mafia Film Liebhaber und Freund eher literarisch-verschachtelter, dabei erzählender Texte als Volltreffer vor: ein ehemaliger „Hit Man“ für die Mafia, im Zeugenschutzprogramm zum Arzt mutiert, trifft im Krankenhaus auf einen alten Bekannten aus Mafiakreisen und muss neben groteken Schlafmangel und der medizinischen Inkompetenz der Kollegen, einer versehentlichen Injektion mit möglicherweise tödlichen Bakterien trotzen und dann auch noch alles in Bewegung setzen, um das Leben dieses fetten Mobsters zu retten, um seine falsche Identität aufrecht zu erhalten, nur um am Ende (wiedermal) alles zu verlieren - und doch zu gewinnen.


Was passiert, ist zugleich so schlüssig und dabei so unvorstellbar, darüber hinaus so flott aus der Ich-Perspektive erzählt und mit einem Cliff-Hänger nach dem anderen ausgestattet, dass man es in einem Rutsch lesen will und kann. Der Mann rennt gegen seinen scheinbar unvermeidlichen Abgang an über 300 Seiten, kämpft sich aus 100%ig ausweglosen Situationen heraus - und wir sind immer mittendrin und auf seiner Seite und wollen dass der Mistkerl überlebt. Weil die anderen noch viel größere Mistkerle sind. Und weil er Waise ist - seine Großeltern wurden ermordet von Mobstern und das war der Grund für ihn dort anzuheuern: Rache. Und dann ist er irgendwie hängen geblieben, wer kennt das nicht?

Dass seine Großeltern ebenfalls nicht die waren, für die er sie hielt, spiegelt sich in ihm, weil er dachte jemand anderes zu sein und doch zum besten Killer wird. Man mag ihn, weil er lieben kann, weil er zynisch ist und seine Welt, diese Menschen dort so drastisch beschreibt, weil er witzig ist und ehrgeizig und weil man all das wohl selbst auch gern wäre. Er ist, wie ein Held eben sein sollte.


Natürlich verliebt er sich in die schönste, lebendigste, klügste und eindeutigste Frau, die man sich nur vorstellen kann - dass es tragisch endet, erfährt man früh. Nur nicht warum. Dass es angesichts des fast römischen Amphietheater-Todes in einem Haifischbecken noch zu Oralsex kommt, während er sie über Wasser hält und spitzzahnigen Biester von unten drängeln, dass ist fast over-the-top, aber eben fast und doch nicht. Es passt, weil der wilde Ritt durch die Geschichte, all die Wendungen und verrückten Entscheidungen plausibel sind. Irgendwie.

Wie überhaupt die vielen „Warums“ und Umwege die Geschichte spannend halten bis zu letzt, dass man manchmal den Überblick verliert, aber nie die Lust am Weiterlesen. Aber es gelingt Bazell auf grandiose und so gar nicht gezwungene Weise am Ende alle Fäden zusammenlaufen zu lassen. Und wenn sich unser Held dann mit einer wahrhaft kranken, irrsinnigen Aktion den Hintern und sein Leben rettet, hat er sich das wahrlich verdient: wer es schafft nackt in einer Gefrierkammer für Blutkonserven, vollgepumpt mit fremden Fäkalien aus sich eine Waffe zu schaffen, mit der man der Rache eines rachsüchtigen Messerhelden entgehen kann, der Unterstützung von 5 schwer bewaffneten Killern hat, braucht Fantasie - viel kranke Fantasie und medizinische Kenntnisse.


Dies ist aber nur eine von vielen scheinbar ausweglosen Situationen zu denen auch der Haitank umgeben von schießwütigen Mafiosis und ein Gefängnis auf dem Weg zu 50 Jahren Knast gehören. Peter, Pietre, Ishmael, Bearclaw - das sind die verschiedenen Namen des Helden der mit 28 zu jedem ein Leben vorweisen kann. Ein junger Mann, der alles in seinem Leben verliert und doch kämpft und kämpft und dabei streckenweise so wunderbar sarkastisch und witzig erzählt, in den Fussnoten seines Berichts mit medizinischen, historischen und allgemeingültigen Irrtümern aufräumt, und der zugleich am Ende erfahren muss, dass er nichts mehr hat, außer das, was er kann. In seinem Fall Töten und Leben retten. Die Dunkle Seite der Macht oder Yodas Weg - ein arachischer Kampf, uramerikanisch dazu und so gut gemacht, dass offenbar Brad Pitt sich die Rechte an dem Buch hat sichern lassen. Wenn er ihn spielt, wird es Fight Club gepaart mit Sopranos und Scrubs. Wow.