Thomas Pletzinger: Bestattung eines Hundes, KiWi 345 Seiten

Ein Debutroman, wie man ihn leider nur selten zu lesen bekommt in Deutschland. Und das vor allem weil Thomas Pletzinger aus „dem Betrieb“ kommt, also selbst für Literaturagenturen und Verlage gearbeitet hat und anschließend am Literaturinstitut Leipzig studierte. Nach dem Werdegang machen Autoren meist entweder stromlinienförmige, Verlags/Verkaufs-affine Literatur, deren Eigensinn und Gewagtheit zugunsten von Plot und Marktkompatibilität abgeschliffen wurde oder sie gehen ganz in die (ehemals) suhrkampige Schiene der hochanspruchsvollen Kunstliteratur, in Sprach- und Perspektiv Experimente. Dass er den Betrieb kannte, wird aber der Veröffentlichung sicher nicht geschadet haben.


Debuthaft und genau richtig


Pletzinger gelingt hier das Kunststück (die Kunst!), anspruchsvoll, nicht linear, ja fragmentarisch zu erzählen, dabei sprachlich anspruchsvoll ohne Attitüde zu schreiben und eine spannende, tiefsinnige und unterhaltsame Geschichte zu erzählen. Nebenbei bietet er sogar noch Einblicke in den Zeitgeist Anfang des Jahrtausends, in das schön anzusehende Suchen einiger Männer und Frauen in New York, Hamburg, Brasilien und Italien. Das vielleicht noch das „debuthafteste“ an dem Buch: die Reisen und fernen Orte, New York (Schrifsteller/Künstlerhauptstadt) und Italien (Mutter kultureller Hochkunst, Sehnsuchtsort der Deutschen) in einem Buch vereint.


Inhalt nicht zusammenzufassen


Worum geht es? Das ist schon schwer zu sagen und eben Ausweis für das Gelingen und die Klasse dieses Buches. Weil es nicht zusammenzufassen ist in ein oder zwei Sätzen oder einer „Message“. Das Buch handelt natürlich von der Liebe, aber auch ihrem Misslingen. Von den Zweifeln an ihr und den Versuchen, Formen der Beziehung zu finden, die mehr Erfolg versprechen. Es erzählt von Ehen, von nicht geführten Ehen, von einer Menage a trois, von Toten, die ins Leben eingreifen und einem Noch-Nicht Toten (Hund), der zum Symbol für die Vergänglichkeit aller guten Dinge wird. Und der Roman handelt von Kindern, von lebenden und toten und noch nicht gezeugten und was sie für den Mann und die Frau bedeuten. Und er handelt vom Schreiben und der Beobachtung der Menschen, die ein Autor entweder teilnehmend oder am Rand stehend bewerkstelligen kann, aber auch von Lebenslügen, die nicht selten den Kern der Wahrheit in sich tragen. Es handelt vom Blick zurück in die Vergangenheit, die man schreibend festhält und kontrolliert, so aber auch die Macht hat, die nicht gelungenen, die falschen Momente zu ändern, doch noch passend zu machen. Nur um am Ende doch gescheitert da zu stehen, vielleicht allein, vielleicht mit Hoffnung.


Inhaltsvariante


Wollte man das Buch auf die Handlung zusammenfassen, könnte eine Variante so gehen: Der Journalist Mandelkern, der eigentlich Ethnologe ist, bekommt von seiner Frau, die auch seine Chefredakteurin ist, den Auftrag einen Kinderbuchautor zu interviewen, der einen Überraschungserfolg gelandet hat. Der Mann lebt im Tessin und man weiß sehr wenig über ihn. Mandelkern, selbst gerade in einer Ehekrise, fährt hin und taucht ein und verliebt sich ein wenig in die Ex des Autors und lebt ein paar Tage mit den beiden, dem Sohn der Frau und dem Hund in einem Haus am See. Als teilnehmender Beobachter ist er zugleich involviert und doch nicht Teil der Geschichte, aber er verändert dennoch, was er sieht. Und die Geschichte verändert ihn.


Heimkehr mit ohne Text


Und er findet ein Manuskript, das das Leben von dem Autor Svensson, dem Hund Lua, der Finnin Tuuli und ihrem Sohn, der Frau Kiki und dem toten Felix erzählt, von New York 2001 und Brasilien davor, von einem Treffen und einem Unfall, dem Tod des Freundes und am Ende des Hundes, der sie in dieses Haus ins Tessin brachte und dann auch die Möglichkeit des Neuanfangs bietet. Und über seine eigene Ehe und seine Liebe denkt Dirk Mandelkern auch noch nach. Bis er wieder abreist. Nach der Bestattung des Hundes, mit einem Plan aber ohne einen Artikel für seine Zeitung.


Ein großartiges Buch, mäandernd geschrieben, lebensklug ohne aufdringlich zu sein, vertrackt und verschachtelt ohne anstrengend zu sein, ein Buch, in dem Vergangenheit und Gegenwart sich ständig berühren, ja manchmal parallel zu laufen scheinen.

All die menschlichen Abgründe und Leidenschaften und Fehler werden begleitet von diesem stoischen, selbstvergessenen Hund, der alles weiß und doch nichts tun muss, als was Hunde eben tun.