Richard Price: Cash, S. Fischer, 528 Seiten

The Wire ist wirklich eine grandiose, vielleicht DIE Polizeiserie im Moment, aus dieser Zeit, von Heute. Cash erzählt ebenfalls von Heute, zwar nicht Baltimore, sondern good old New York City, aber die Art ist ähnlich: Viel Gossensprache, Mileu Dialekt, viel Dialog ohnehin und die komplexe Suche heraus aus der komplexen Wirklichkeit des Verbrechens.


Das Buch hat einen grandiosen Einband, einen tollen Autor und einen tollen Anfang von etwa 150-200 Seiten und dann wird es mühsam und kleinteilig und lang. Ganz anders als die Serie, wo jede Staffel auch immer komplexer wurde, immer mehr Figuren einführte und teilweise Ghetto Fremdsprache benutzte, aber über das Visuelle und Figuren, die man vielleicht nicht mochte, aber spannend fand, bei der Stange gehalten wurde.


Hier verliert sich der Drive des Anfangs bald und die Protagonisten, von dem Verdächtigen Eric mal abgesehen, sind keine Träger von Irgendwas (und damit bestimmt nah am Leben, aber eben nicht an den Bedürfnissen von Literatur wie ich finde).


Ein Junge wird erschossen. Aus einem „kleinen“ Fall wird ein bisschen ein größerer, an dem sich das Funktionieren von Stadt und Polizei, Psychologie von Verdächtigen und Tätern und „der Stadt“ bei gleichzeitigem Wissen um den Blödsinn, der mit CSI und Sherlock Holmes erzählt wird (von wegen die Methoden der Wissenschaft und geniale Logik) zeigen lässt.


Es werden Fehler gemacht, ganz langsam und mühsam tasten die Ermittler sich näher ran, kriegen Druck von Oben, müssen mit trauernden Eltern, maulfaulen Teens und dämlichen Kollegen, den Zwängen von Verwaltung, Dienstplänen und gescheiteren Ehen ebenso klarkommen, wie mit der Tatsache, dass in NY alles andere als ein „Wir“ vorherscht, sondern Schwarz, Weiß, Hispanic, Juden, Asiaten ein weitgehendes „Wir und Die“ leben. Ok. Und sonst?


Sehr lebensnahe, fast polizeiberichtartige (mit literarischen Beschreibungen aufgetunte) Szenen, Dialoge und Ereignisse.  Ein paar Typen kommen einem bekannt vor, sind eben Typen, die Price auch in The Wire verwendet - was kein Nachteil ist, weil sie vermutlich dem Leben entnommen sind. Aber ab Seite 200 spätestens interessiert der Fall so gar nicht mehr, weil der Leser ohnehin weiß, wer es war und auch warum. Cash ist also kein klassischer Whodunnit Krimi, sondern das komplexe Gemälde einer Stadt und seiner Bewohner, deren Art zu Leben und Denken anhand eines Mordes gezeigt wird. Sozialkrimi, Metakrimi? Keine Ahnung.


Sicher kein schlechtes Buch, aber zu lang und letztlich emotionslos und am Ende auch variantenlos. Was bei The Wire (als  Serie naturgemäß) viel besser funktionierte, war die Verschachtelung von Ursachen und Ereignissen, die vielperspektivische Erzählweise, die parallelen Geschehnisse und die Spannung via Cliffhänger und einzelnen „Helden“, denen wir folgen. Und weil man zwar wusste, wer es war, aber wollte, dass er gefasst wird (oder auch nicht). Das Gefühl fehlte mir in diesem Buch, auch wenn die Zutaten die gleichen sind.


Also schau ich jetzt nochmals The Wire - smartass dickhead I am.