Marshall McLuhan/Quentin Fiore: Das Medium ist die Massage, tropen 159 Seiten

Ein fast 50 Jahre altes Buch - prophetisch und klug und witzig, bezogen auf Medien.  Was sie mit uns tun (werden), hat McLuhan wie kaum ein anderer analysiert. Und dabei das freie Denken per se, die Loslösung von den überholten Katergorisierungen, Rationalitäten und dem überkommenen „strukturierten“, linearen Denken angemahnt und vor allem: selbst betrieben.


Dieser Band ist eine graphisch unglaublich ansprechende Sammlungen von Ausschnitten, Aphorismen und Klugheiten von McLuhan, gespickt mit Zitaten anderer Denker. Sein Denken umfasst aber nicht nur die Medien selbst, sondern erstreckt sich über alle Bereiche unseres Lebens (ich, Familie, Beruf, Arbeit, Bildung, Freizeit....) und wie sie von den umgebenden Medien beeinflusst werden. Die Medien allesamt sind Verlängerung unserer Psyche und Physis (Kleider für Haut, elektronische Medien für neurologische Strukturen...). Und darum waren sie immer schon da, werden immer da sein und die größte Gefahr aus seiner Sicht ist auch immer die Gleiche: Mit den Methoden und Mitteln der Vergangenheit, die Fragen der Gegenwart beantworten zu wollen.


Das tolle REAL (nicht Retro!) 60er Design ist dabei so aktuell und treffend obwohl aus seiner Zeit stammend, als man noch Fanzines klebte und Intermedialität mit Stift und Schere herstellte. Nix Fotoshop, 3D, Digitalisierung. Und: Die Bilder ergänzen nicht den Text, sondern sie sind der Text, wie der Text mit den Bildern (der Umwelt sozusagen) neue Ebenen und Bedeutungen gewinnt. Und so ist das Buch im Sinne eines Gesamtkunstwerks eine visuell, intellektuelle Übung im McLuhanschen Denken.


Endlos könnte erzählt werden, von den erstaunlich zeitlosen Erkenntnissen über uns als Medienkonsumenten. Erstaunlich wie man als Leser ständig denkt, er meint damit das Internet -aber es ja noch lang nicht existierte - ganz abgesehen von Personalcomputern, Labtops, iPhones, Clouds und Blogs. Und doch ist diese „alte Welt“ in dem Denken des Grenzenhüpfers McLuhan schon angelegt, der sich nicht auf die klassisch rationale, Veri- / Falsifizierung  im Denken und Forschen festlegen lassen wollte, sondern Denken als Prozess begreift und die Parallelität von Denken, Handeln betont. Mehrere theoretische Modelle können gleichzeitig herangezogen werden -wenn man bereit ist bestimmet Widersprüche auszublenden. Sampeln (es gibt auch einen Teil über Copyright, dieser Tage ja wieder dank ACTA in aller Munde), Kreuzen, Querdenken, Pop als Gegenwartskunst - kein Wunder, dass vor allem junge Leute auf McLuhan abfuhren.


Einzig beim Fernsehen, und der Begeisterung des Autors dafür und seine Behauptung es aktiviere „endlich wieder“ den ganzen Menschen, ruft Kopfschütteln hervor. Ruhigstellen, Zuschschütten, Verdummen und Lethargisieren treffen auf Großteile des Fernsehens doch besser zu.  Wobei: Gilt das nicht für Teile aller Medien von Buch über Bild über Foto und Film und auch Internet genauso? Gibt es nicht immer ein Übermaß an Dreck, unter dem der Leser, Gucker, Hörer die Dinge von Qualität suchen muss? Das ist dann eher eine Frage des Kapitalismus als eine medientheoretische.


Unsere gesamte physische Wahrnehmung ist ein permanenter Auswahlprozess der Informationen, die uns das „Tun“ und Überleben (tatsächlich im Sinne einer evolutionsgestählten Spezies) sichern. Wenn wir nicht gelernt hätten, all die visuellen, akustischen Informationen zu gewichten, sortieren und auszuwählen nach der Frage, was wir für den Moment, für eine Aufgabe brauchen, dann wären wir nie hier, wo wir sind.

Mit den Medien ist es ja in ihrer ständigen Verfügbarkeit, ihrem Universum an möglichem Input, den Millionen Infos und Youtube Sachen und Bildern und Texten und Klängen nicht anders. Der Mensch ist weiterhin genötigt, auszuwählen. Rigoros, so dass, was wir Wirklichkeit nennen, eher einem Stecknadel großen Licht ähnelt, mit dem wir versuchen uns auf einem stockdunklen Planeten zurechtzufinden. Wir sehen  und begreifen einen miniminimalen Ausschnitt der Wirklichkeit. Einer Wirklichkeit.


Die Medien, vor allem die elektronischen haben trotz allgegenwärtiger Verfügbarkeit und Geschwindigkeit daran nichts geändert - die Tatsache Auswählen zu müssen nur auf alle Lebensbereiche ausgeweitet. Ob uns eines Tages ein rasend schneller iPhone Daumen wächst bleibt abzuwarten. Er wäre auf jeden Fall Beleg für McLuhans trotz ihres Alters bestechenden, treffenden, richtigen, klugen, schönen Thesen zur Welt der Medien.