Richard Yates: Eine besondere Vorsehung dva, 389 Seiten

Begeistert von Yates Buch Revolutionary Road, das 20 Jahre nach dem Tod des Autors in Deutschland erschien und einschlug wie eine (Zeit)bombe, der feinen Bitterkeit, mit der Yates seine Figuren schafft, die Dialoge voller Kraft und Tiefe und Kälte, Wut und Verletzung und Verlogenheit, dabei die völlig unpsychologische Art zu erzählen, bei denen der Leser dennoch immer einige Zeit vor den Figuren ahnt, worauf sie hinauswollen und rufen will: lass es! - all das im Kopf war dieser andere Roman von Yates eine große Enttäuschung.


In einer eigenartigen Mischung aus Landsergeschichtchen aus der Sicht eines unfähigen, jungen amerikanischen Soldaten an der Front Europa 1944, Robert Prentice und einer Erzählung über das Scheitern seiner Mutter Alice als Mutter und Künstlerin, ergeht sich der Roman in seitenweisen, offenbar unlektorierten Passagen, wie er friert und versucht erwachsen zu sein im Krieg und sie dies und jenes macht und denkt und will und mit Robert als Kind und sich selbst als unentdeckte Künstlerin begreifend von einem zum anderen Ort zieht und den einen oder anderen Mann trifft, der sie belügt und sitzen lässt.


Der Prolog, der Besuch des Gerne-Groß Robert bei seiner Mutter bevor er nach Europa geschickt wird als Soldat, ist noch vielversprechend. Die unausgesprochenen Konflikte zwischen Mutter und Sohn, die Lebenslügen, die zum Familienfundament gehören und deren Andeutung allein schon Unfrieden stiftet, die Verleugnung der Wirklichkeit und des Scheiterns von Alice als Bildhauerin und die Furcht des Sohnes, seine Mutter als die gescheiterte, alternde, einsame Frau zu sehen, die sie ist - das macht Lust auf mehr.

Was dann aber ab Seite 40 mit dem Buch passiert, ist ein träge vor sich hineiernder Bericht über das Leben an der Front und die Unfähigkeit der Mutter ihr Leben auf die Reihe zu kriegen. Grundsätzlich ja Stoff für einen Roman, vielleicht sogar zwei, aber der hier ist gähnend langatmig und ohne Tiefe und Richtung. Über 300 Seiten erfahren wir alle Details der Umzüge von Alice und Robert in den 30er Jahren, ihrem Wunsch nach künstlerischer Grandezza und der Realität einer besseren Hobby Künstlerin mit dem gleichzeitigen Wunsch nach Sicherheit und bürgerlicher Versorgung -in diesem Fall durch den Exmann und Vater.


Auch die Beschreibungen Roberts „Armee Karriere“, seinen Gedanken zu den Kameraden, den Krankheiten und Kriegsscharmützeln und der Blick auf Tod und Alltag der Invasion, ist ohne jeden Drive erzählt und mäandert zwischen besagten Landser Geschichtchen und Anekdoten eines Reporters an der Front. Die Verbindung zwischen den beiden Erzählsträngen Mutter und Sohn, Front und Heimat und der Dialektik von innerem Anspruch und äußerer Wirklichkeit geht verloren - von einigen feinen Momenten der Charakterzeichnung und absurden Ereignissen des Kriegs oder Familienalltags der beiden mal abgesehen. Man weiß nicht, wo diese Erzählung hin will und es interessiert auch irgendwann nicht mehr. Über Seite um Seite hoffte ich, dass es jetzt losgeht mit dem Konflikt, mit Reibungen zwischen eben der inneren und äußeren Realität der Figuren, um dann nur einen weiteren Umzug, eine weitere nicht realisierte Skulptur von Alice oder ein weiteres „kalt, dreckig, hart“-Geschehen von Robert im Krieg erzählt zu bekommen. Und so endet das Buch dann auch. Es fadet aus und lässt einen ratlos zurück.


Ich nehme an, wie es sich für einen Verlag gehört, hat die DVA die Welle der Yates Begeisterung kommerziell zu Ende reiten wollen und deshalb so ziemlich alles unabhängig von literarischen Qualitätskriterien auf den Markt geworfen.

Da kriegt man als Leser vor allem die Wut, wenn man weiß, wie viele interessante Stoffe auch von deutschen Autoren NICHT veröffentlicht werden oder irgendwo im Verlagsprogramm versteckt werden, weil man lieber noch ein Werk aus dem Backkataolog irgendeines Amerikaner veröffentlicht, der genau EIN gutes Buch gemacht hat.