Gillian Flynn: GONE GIRL, Fischer, 584 Seiten

Mal das Ende zu Anfang: Das Ende dieses dicken, packenden, klugen Buchs ist so überraschend wie eigen. Nur gepackt hat es mich erst nach einer Weile. Dann drin und nicht mehr aufhören wollen. Heute: Toll. Das Buch handelt vom Leben, vom Zusammenleben zweier nicht ungewöhnlich gestörter Menschen. Ein netter, gern ungebundener dann arbeitsloser Journalist, ein bisschen konfliktscheu, ein bisschen selbstverliebt und wehleidig und lost. Dann verliebt er sich, heiratet und das Unglück beginnt. Seine Frau verschwindet nämlich am 5. Hochzeitstag und alles, die ersten 300 Seiten des Buchs laufen darauf zu, wie er es gemacht hat und ob sie ihn kriegen.


Dann aber dreht sich das Buch komplett um - und damit unsere Perspektive als Leser und wo wir gerade noch diesen sympathischen Waschlappen, aber offenbar Mörder endlich entlarvt sehen wollen, ist nun seine Frau, Amazing Amy (sie ist Figur in der erfolgreichen Romanreihe ihrer Eltern), diejenige, die immer mehr zum Monster wird. Bis am Ende beide Perspektiven (auf den letzten 150 Seiten) zusammenkommen und wir als Leser begreifen: die haben beide einen an der Waffel und werden gemeinsam untergehen - nachdem sie vermutlich alle familiären Beziehungen zerstört, vielleicht das eigene Kind kaputt und sich auf jeden Fall restlos seelisch und emotional zerrüttet haben.


Das Ganze ist Ehestudie, Charakterstudie und packend geplottete Crime-Story (ohne eigentliches Verbrechen) in einem. Ohne Sicherheiten, ohne Seiten wählen zu können, ohne einfache Erklärungen. Dafür mit sehr sehr viel Innensicht auf zwei Menschen, die für einander geschaffen sind - um in einer Art Kernschmelze ihrer Liebe (im Kern Hass und Psychose und (Selbst)Zerstörungswut) ihre Welt im SuperGAU zu vernichten. Vermutlich. Denn das Ende lässt wie schon die fast 600 Seiten vorher ALLE Möglichkeiten offen. Nur dass sie es schaffen ist ausgeschlossen.


Noch ein Buch aus der Reihe: Ich lese keine Krimis, aber DAS hier muss man…


Christian Caravante