PAUL AUSTER & J.M. COETZEE: HERE and NOW, LETTERS 2008-2011; Faber & Faber, 237 Seiten


Wie man den Berg hinauf schreibt

Briefe oder Tagebücher von Autoren können interessant sein. Wenn ihr Talent auch in der Korrespondenz oder beim Allein-Denken durchscheint. Wenn sie sich trauen, ihre Gedanken und Gefühle vorbehaltlos (mit all den Selbstzweifeln und Selbstlügen) niederzuschreiben und originelle Dinge über den Alltag sagen oder spannende Beobachtung machen. Dieser Briefwechsel hat von all dem wenig, ist aber trotzdem lesenswert - vielleicht gerade wegen seiner Gewöhnlichkeit am Rand zur Banalität und wegen des Kontrasts, der sprachlich und intellektuell aus dem Dialog der beiden Autoren entsteht: Paul Auster, in Deutschland viel in USA kaum gelesener, umtriebiger Autor aus New York. Und der südafrikanische Literaturnobelpreisträger J.M. Coetzee, dessen Auftritte so rar wie seine Bücher karg, klar und tiefgründig sind. 

Here & Now erzählt wenig über die Entstehung von Texten der beiden, dafür einiges über dröge Reisen zu Literaturfestivals, über die Haltung der beiden zu Ballsportarten (Fussball, Baseball), ihren Umgang mit Kritik (beide lesen keine Kritiken) oder Schlaflosigkeit. Und beide schauen offenbar viel Fernsehen.


In Hinblick auf Originalität und sprachliche Klarheit fallen die Briefe von Auster deutlich gegenüber denen Coetzes ab. Wer die Anrede „Dear Paul“ bzw. „Dear John“ überliest, weiß trotzdem nach wenigen Sätzen, ob Auster oder Coetzee schreibt. Auster ergeht sich seitenlang in furchtbaren Allgemeinplätzen, erzählt viel von den eigenen Büchern und Begegnungen mit anderen Autoren, während Coetzee zwar über das Schreiben allgemein, aber kaum über ein bestimmtes Buch und gar nichts von Treffen mit anderen Künstlern erzählt, denen er als Literaturnobelpreisträger aber bestimmt begegnet. Coetzee wohnt in Australien, am Stadtrand von Irgendwo, scheint viel Zeit mit Schreiben und ansonsten seiner Frau zu verbringen, während Auster in ein dichtes soziales Netz aus Freunden und Künstlern in der Künstlerszene New Yorks eingebunden ist, auf Universitätsveranstaltungen spricht, in Jurys hockt oder sich, wie man erfährt, mit Philip Roth zum Kaffee trifft. Erkenntnisgewinn: Null. Von Coetzee erfährt man: Er fährt Rad, steile Berge hinauf, und fragt sich, „Warum tue ich das?“ Er behauptet nie an einem Berg vom Rad abzusteigen - auch wenn keiner das sieht. Und so geht er auch ans Schreiben heran: Verbissen und nur sich selbst verpflichtet, bis er sich den Berg hinaufgeschrieben hat. Coetzee beschäftigt zum Beispiel auch die Frage, warum er über eine Reise nach Indien, überhaupt über Reisen, nichts zu erzählen weiss, das nicht Klischee wäre. Eine Sorge, die Auster so gar nicht hat. Coetzee stellt fest, dass sein Schreiben kaum von außen bewegt wird. Ganz anders Auster, dessen Texte zutiefst biografisch inspiriert und durchwebt ist. Zwei Autoren, zwei Schreibstile, zwei kulturell unterschiedlich geprägte Männer mit erstaunlich uninspirierten, selten originellen Ansichten zu allem möglichen - was natürlich in Ordnung ist, denn warum sollten Schriftsteller zu mehr als ihrer Arbeit Kluges zu sagen haben? Aber zumindest dazu müssen sie etwas zu sagen haben. Der Grund diese Briefe zu publizieren, dürfte also vor allem darin gelegen haben, beide Namen aufs Cover drucken zu können.


Für Literaturwissenschaftler sind sie aber zu wenig aufs Werk bezogen, für Fans nicht privat genug, um unterhaltend zu sein, wählen die beiden meist zu langweilige Themen und ihre politischen Einschätzungen zu USA, Südafrika oder Israel kommen über Leitartikelniveau nicht hinaus. Dennoch: Aufgrund der Einsichten zum Warum & Wie des Schreibens, zumindest von Coetzee, eine insgesamt interessante Lektüre.


Paul Auster, J.M. Coetzee - Here and Now - Letters 2009-2011, Faber & Faber 237 Seiten, € 11,95


CC