Max Frisch: Homo Faber / suhrkamp, 203 Seiten


Homo Farblos

Eins dieser Bücher, die alle gelesen haben, meist schon im Gymnasium unter Zwang, oder später als Student unter Zeit, oder aus Lust, weil Frisch ein toller Autor ist und dieses Buch, nun ja, irgendwie Kanon.

Es fiel mir als feines suhrkamp Taschenbuch in die Hände, dünn ist es auch, also warum nicht einen Klassiker weglesen?

Der Anfang machte mir schon Mühe, dieser komische Typ auf Reise, dieser biedere, Zigaretten rauchende (sympathisch, die Selbstverständlichkeit, mit der alle rauchen, ohne darüber zu reden), junge Frauen Verführer, dessen Anziehung auf selbige ich nicht verstand und dessen Selbsteinschätzung als "Ich hab mein Leben im Griff", ich nicht teilen wollte.

Vielleicht ist aber auch der Buchrücken schuld, der trompetete, dass dieses Buch den modernen Menschen schlechthin, den Mann des 20. Jahrhunderts in all seinen Brüchen zeige. Obwohl ich die meiste Zeit meines (kurzen) Lebens in diesem 20 Jahrhundert verbracht habe, bin ich entweder schon total 21. oder verstehe die Faszination an diesem Ingenieurs mit Neigung zu Distanz, an jungen Frauen und nachgeholter Selbstanalyse nicht. Und auch nicht, wo dieser Mann denn gebrochen ist. Für mich ein beziehungsunfähiger Handlungsreisender mit vom Krieg leicht touchierter Familiengeschichte, der durch Zufall seine Tochter flachlegt  -. egal war für Worte er darum macht.

Ich habe Frischs "Stiller" mit großer Begeisterung gelesen, dieser Mann der sich neu erfinden will, aber sich selbst nicht entkommt. Aber den Homo Faber als Prototypen zu erfassen, das wollte mir auch mit jeder Seite mehr nicht gelingen.


Ich kenne Menschen, die dieses Buch schon mehrfach lasen, bei denen es zu jener Kategorie Bücher gehört, die immer dann gegriffen werden, wenn einem das Leben ein paar Aufgaben stellt. Warum, kann ich nach der Lektüre nicht nachvollziehen.

Zu den anrührendsten Momenten noch die Wiederbegegnung zwischen Faber und seiner ehemaligen Freundin in Athen, am Sterbebett ihrer gemeinsamen Tochter und die dann folgende Nacht. Auch die Annäherung des älteren Herren an die junge Frau, die seine Tochter sein wird, ist noch gut zu lesen. Aber obwohl man ja bereits weiß, wer sie ist, will sich das "Tu es nicht!" trotzdem nicht einstellten. Oder sind wir 50 Jahre später einfach zu abgebrüht für solch griechischen Tragödienstoff im Mantel der Moderne?

Weshalb diese beiden Figuren zueinander finden, abgesehen vom ödipalen/genetischen Komplex blieb für mich im Dunkeln - und Zufall sollte es ja nicht sein, sondern Schicksal.


Eine Liebesgeschichte? Wo denn? Die Umwälzung eines Charakters, der stellvertretend für die Fehler der Menschen des vergangenen Jahrhunderts steht? Kann ich nicht sehen. Und auch nicht die Trauer oder Verlorenheit dieses Faber nachfühlen, die er behauptet in seinem Bericht von sich selbst.


Mir diesen Stoff auch noch als Schlöndorf Film anzuschauen, steht nicht zur Debatte. Ich nehme lieber den Stiller oder Gantenbein nochmals zur Hand und lass dieses Buch sein was es ist - ein Klassiker mit Patina.