Stephen King: JOYLAND; hardcase novel, 283 S.

Muss sicher 25 Jahre her sein, dass ich das letzte Stephen King Buch las. Kann mich nicht erinnern, welches es war; eines aus der Science Fiction / Mysterie Reihe als Richard Bachmann oder ein klassischer Horrorstoff unter seinem eigenen Namen. Erinnern kann ich mich aber an das King-Gefühl - abends Friedhof der Kuscheltiere, ES oder den Vampirroman Salem muss brennen zu lesen - ein herrliches Gefühl von Anspannung und zwanghaftem Weiterlesen, Durchlesen. Und nie die Frage, IST das Trash oder Literatur, ist das Unterhaltungspulp oder was heute andauernd über den Krimi gesagt wird, ein plot- und spannungsgetragenes Buch über die Welt in der wir leben, auf Augenhöhe mit denen, die sich selbst (oder andere sie) als „Literaten“ sehen.

Fakt ist, dass King mir abhanden kam, ein Kapitel der Jugend wie die Carpenter Filme, Bowle oder das Tennisspielen.


Der neue, hochgelobte King (was hat er eigentlich die letzten 20 Jahre geschrieben?) Roman drohte also mich zurück in Jugendzeiten zu versetzen, aber drohte nach vielen Jahren „more sophisticated literature“ eine inhaltliche Enttäuschung?

Zunächst: Die Jugend kehrte zurück, aber nicht wegen einer Gänsehaut beim Lesen, sondern weil das Buch von diesem einzigartigen Gefühl mit 20, an der Schwelle zu ALLEM handelt. Und es ist nur insofern ein King wie ich ihn kannte, weil es immer wieder auch um einen Geist geht, dessen Erscheinen aber ca. 2 Seiten des Buchs umfasst, wie die an Shining erinnernde Fähigkeit eines kleinen Jungen, mit den Toten zu kommunizieren und „Dinge“ zu sehen.

95% des Buchs sind aber ein Coming-of-Age Geschichte über einen jungen Mann, der in einem Vergnügungspark anheuert, wo in der Geisterbahn (DAS kann nur King machen ohne albern zu wirken) ein Mädchen ermordet wurde, das dort angeblich spukt. Aber Devin, die Hauptfigur, der die Geschichte vom Ende der 70er Jahre, als älterer Mann in unserer Gegenwart erzählt, er bekommt den Geist nie zu Gesicht. Er kann ihn nicht sehen.


Es ist ein Buch über die Träume der Jugend, die erste verunglückte Liebe, die eigenartigen Entscheidungen, die Verluste und Abschiede, die einen irgendwann zum Erwachsenen machen. Eine kleine Detektivgeschichte und Liebesgeschichte im letzten Drittel und die Schlussseiten voller Spannung und Tragik und Freude. Und Melancholie - und packenden, gut geschriebenen, schönen und ergreifenden Momenten, die JOYLAND zu einem Roman ohne Sprachspirenzchen, ohne „message“, dafür mit viel Lebensklugheit, glaubwürdigen Figuren und Dialogen und Verwicklungen und Auflösungen macht. Ein pageturner, ein schönes, kluges und von feiner Melancholie getragenes Buch von einem Stephen King, den wirklich niemand „Altmeister“ nennen muss. Er hat es einfach drauf. Immer wieder, immer noch.