Mary Roach: Bonk – The Courious Coupling of Sex and Science. Canongate, 319 Seiten

„Sex is natural. sex is good, not everybody does it, but everybody should.“

George Michael. „I Want Your Sex (Parts 1-2)“. Juni 1987.


„Der Effekt menschlicher Stimulation von Säuen und die Auswirkungen auf den Oxytocingehalt im Blut während der künstlichen Befruchtung.“

Mads Thor Madsen, Johnny Mathiasen und Dorthe Rønn Rolesen. National Committee for Pig Production Report No 532, Januar 2001.


Die erstaunliche Beziehung zwischen Sex und Wissenschaft entblättert Mary Roach in ihrem Buch „Bonk“. Schon nach den ersten paar Seiten ist klar: Faszinierend ist diese Beziehung allemal, aber die Erotik kommt dabei ziemlich kurz, besonders in jüngster Zeit. Das macht aber nichts, weil Mary Roach über so vieles berichtet, was man, beziehungsweise ich, nicht wusste und vor allem weil sie das mit einer genialen Mischung aus Rücksichtslosigkeit und Witz tut. Ich gebe auch gerne zu, dass ich manches Neue erfahren habe, was ich gar nicht unbedingt wissen wollte: Für die detaillierte Beschreibung des Einsatzes einer plastischen AMS 650 Penisprothese (das Gegenstück zu plastischen Penisprothese ist übrigens die aufpumpbare Penisprothese) beim 70-jährigen Mr. Wang durch Dr. Hsu vom Mircosurgical Potency Reconstruction and Research Center in Taiwan braucht man gute Nerven. Dr. Hsu ist offensichtlich eine Art Karajan im Dienste der Standfestigkeit – ein Künstler, ein Meister, der mit Intuition vorgeht und in einem eigentlich aus der Mode gekommenen Feld der Chirurgie offensichtlich große Erfolge feiert. Das Kapitel zum Thema trägt übrigens die Überschrift „Re-Member Me. Transplants, Implants, and Other Penises of Last Resort.“ Wer jetzt nicht gelacht hat, sollte dieses Buch definitiv nicht lesen. Der zentrale Lehrsatz aus diesem Kapitel: „Blood ist the backbone of a stiff penis.“


Im Prinzip haben sich die Interessen der Wissenschaftler – und bei einigen könnte man sogar von Obsessionen reden – seit dem 19. Jahrhundert nicht geändert.

Thema Nummer 1: der weibliche Orgasmus. Gibt es ihn? Was passiert dabei? Es gibt so viele verschiedene Teile, die dabei mitmischen und die sind dem Forscherblick ziemlich verborgen – frustrierend. Und was soll dieser Orgasmus eigentlich – rätselhaft. Thema Nummer 2: Die Potenz des Mannes. Wie kriegt er den Penis zum Stehen „erective perfomance“? Und wie sorgt man für möglichst fruchtbare Spermien? Das Einpflanzen eines dritten Hodens vom Affen oder Ziegenbock hat sich nicht bewährt.

Thema Nummer 3: Was passiert beim Geschlechtsverkehr? Forscher wollen alles über das Schnackseln, Pudern, Mauseln wissen, sehen und messen in allen Einzelheiten. Mit diesen drei Themen beschäftigt sich also das Buch. Mary Roach springt dabei immer wieder fröhlich zwischen den Anfängen der medizinischen Sexualwissenschaft und unserem Jahrhundert hin und her. Das ist nicht nur sehr kurzweilig, sondern sagt auch einiges über die Entwicklungen von Gesellschaften aus. Was ist in der Forschung erlaubt, erwünscht oder verboten? Welche Methoden werden verwendet, wie halten es die Forscher mit der Ethik und wie ist das öffentliche Echo auf die Ergebnisse. Spannend!


Genauso spannend ist der technische Fortschritt: Heute sind Forscher nicht mehr auf die Beobachtung und Stimulation diverser Spezies –  Affen, Ratten, Schweine – angewiesen. (Die Stimulation der Säue mit Hand oder Knie durch die wackeren dänischen künstlichen Besamer erhöht übrigens den Befruchtungserfolg.) Die Peniskamera von Masters & Johnson war ein Durchbruch, aber heute gibt es 4D-Ultraschall-Echtzeitaufnahmen des menschlichen Coitus – 4D heißt übrigens 3D plus Bewegung. Die Autorin ist übrigens nicht nur neugierig, sondern auch unerschrocken. Sie wagt mit Ehemann Ed den Selbstversuch. (Applaus für Ed!).


Rund um die drei großen Themen weiblicher Orgasmus, Erektion, GV beschäftigt sich Mary Roach auch mit Gefühlen, Hormonen – „Hormones are nature’s three bottles of beer“ – und mit der Frage: Was ist eigentlich guter Sex? Dazu sagt die Wissenschaft nämlich verdammt wenig.