Philip Roth: Mein Leben als Mann, rowohlt 351 S.

Ein Roman in verschiedenen Perspektiven, erzählt aber von der gleichen Figur, dem Alter Ego Philip Roths. Und als Vorlage der Geschichte: wen wundert‘s nahm Roth sich selbst und seine verkorkste Ehe der 50er Jahre. Um sich abzureagieren von den Ehegesetzen New Yorks, seiner verlogenen Frau, der Psychoanalyse und seiner eigenen Schwächlichkeit und Verlogenheit und die ewige und größte aller Fragen, nein nicht die Liebe, sondern Sex.


Eine Selbstanalyse in zwei Teilen: Teil 1: Nützliche Erfindungen, in denen Roth nicht nur sein Alter Ego anderer Romane, den Zuckermann auftauchen lässt und die Familiengeschichten schildert. Teil 2: Meine wahre Geschichte, die sich vor allem um das Abschütteln der eigenen Ehe und der dazugehörigen Frau und die Unfähigkeit genau das zu tun dreht.

Beide Teile als Ganzes mit dem gleichen Thema: den Erklärungsversuchen, Hintergründen, der Anamnese und Analyse, des Rückblicks und der Filetierung, der Philippa und Klage über eine Sache: einer Ehe, die von vorherein zum Scheitern verurteilt war, bei der man aber irgendwann (und das ist vielleicht die Klasse des Romans) nicht mehr sagen kann, wer mehr einen an der Waffel hat, die Ehefrau oder er selbst, Peter Tarnopol, Schrifsteller jüdischen Glaubens, Intellektueller und .Hochschul Dozent mit Hang zum Fremdgehen und Narzismus.


Das Ganze ist zugleich der Versuch  (den z.B. auch ein Autor wie David Foster Wallace unternahm), das offensichtlich Richtige NICHT zu tun und das für den Leser über hunderte von Seiten so plausibel und zugleich aufwühlend zu begründen, dass das Gefühl hat, zwar zu sehen, wie krank das ist, was der Autor da von sich erzählt (und damit meine ich gar nicht die im Roman beschriebenen Aktionen wie Frauenunterwäsche tragen oder seine Wichse auf Buchbände in einer öffentlichen Bibliothek schmieren (übrigens eine Szene, die im Film Eisstrum von Ang Lee gestohlen wurde)), sondern dass der Leser aber trotzdem weiter fragt: Warum zur Hölle? Und dann weiterliest.


Das Buch ist manchmal entmutigend detailreich und manchmal zum brüllen komisch. Dann wieder geht man verloren in den diversen Perspektiven ein und desselben Mannes auf ein und das selbe Problem: seine bescheurte Frau und sein bescheuertes Verhalten seiner Frau gegenüber.

Manchmal möchte man den guten Tarnopol schütteln und würgen und seine Frau ebenso, was dann aber Tarnopol selbst übernimmt - eine der gruseligsten Szenen im Buch, und seiner geistesgestörten, masochistischen Frau den Hintern versohlt, worauf sie sich umzubringen versucht, wie sich überhaupt (narzistische Störung des Tarnopol?) alle seine Ex-Gespielinnen offenbar umbringen wollen, weil er - so sieht es sein Analytiker - sich selbst für unersetzlich halten will. Tarnopol glaubt, sie alle würden sich umbringen seinetwegen, weil ein Leben ohne ihn zwar möglich, aber sinnlos ist - um einen Loriot Bonmont über Möpse zu zitieren.


Nicht unbedingt ein Knaller, sicher nicht das Beste von Roth, dieses Buch; seit 1974 aber immer und immer wieder aufgelegt, vermutlich weil allein der Titel schon Verkäufe sichert. Wenn auch diese kompromisslose einperspektivische Multiperspektive etwas von einem manischen Tagebuchschreiber hat, der immer und immer wieder über das gleiche schreibt und glaubt, so sein LEBEN in den Griff bekommen, dabei aber nur die Illusion einer Lösung seiner Problem liefert. Und an der hat man als Leser manchmal selbst gern teil.