Paul Bowles: Mitternachtsmesse, Goldmann 190 Seiten

Das Cover hätte Warnung sein müssen - auch wenn man ein Buch ja nie anhand... usw. Aber dieses 80er Design? Bitte!

Ich hatte schon auf der Berlinale Pech mit Bowles und sah einen unerträglich langweiligen Dokumentarfilm. Dessen Regisseur war nach er Lektüre von Paul Bowles „The Sheltering Sky“ geradezu besessen von dem Autor, Komponist und Geschichtensucher und fabrizierte eine Art Fanfilm, der eher einer billigen Fernsehdoku ähnelte, als einem Kinofilm - sowohl vom Inhalt und Struktur, wie vom Look. Der Bogen zu diesem Buch? Auch hier kann weder der Look (Cover) noch Struktur und Inhalt überzeugen. Auch wenn Paul Bowles ein toller Künstler war.


Dieses späte Buch von Bowles (Orginal von 1981), erzählt Geschichten in Marokko und von Marokkanern in Europa. Aber was an „Sheltering Sky“ so grandios war und ist, die Spannung zwischen den Kulturen und die Drifter aus dem Westen, die sich im Orient verlieren. Das Paar, das den eigenen, fehlenden Gefühlen und der statischen Gesellschaft und den Erwartungen im Westen entfliehen und durch Angst und Abenteuer wieder Freiheit und Gefühle zurückholen will, solche Figuren und solche Dynamiken fehlen in diesen Geschichten.


Einige sind hübsch zu lesen, erzählen einer Parabel nicht unähnlich von der Schwiegermutter und ihrer Schwiegertochter und einer Vergiftung aus Rache und Enttäuschung.


Dann von einer hübschen 14-jährigen, die von Mann zu Mann wandert und am Ende als reiche Frau in Amerika lebt, aber doch Frieden machen will mit ihrer Familie. Sie ist deutlich lang für die letztendlich banale Auflösung.

Oder eine weiter Geschichte im Stil eines Lehrstücke von dem faulen, Kif rauchenden Diener einer Frau aus dem Westen und warum er dann seinen Job verliert.


Die Sprache von Bowles, dessen Können unbestritten ist, wirkt in diesen Geschichten allzu kühl und kalkuliert und kantig. Als Komponist war er ein Meister der Miniaturen, aber die kurze Form funktioniert bei ihm literarisch nicht. Die kargen Sätze geben keine Raum für die Fantasie des Leser, sondern seine Kurzgeschichten bestehen einfach aus kargen Sätzen und seltsam flachen Geschichten.

Völlig bizarr ist dann die Geschichte von einem Mädchen, das eine Katze sein wollte und auch immer Kitty genannt wird - und sich dann tatsächlich in eine Katze verwandelt. Und das ist es dann auch schon. Erklären lässt die sich höchstens mit einem weiteren Talent und Verdienst von Paul Bowles: Er sammelte in den Jahrzehnten seines Lebens in Marokko all die Märchen und Erzählungen und übersetzte sie ins Englische. Vielleicht entstammt Kitty einer solchen Beschäftigung.


Ob es am Stil oder der nach einer Weile ermüdenden Thematik liegt - nach 6 Geschichten liest man den Beginn der 7. und weiß genau, wie sie sich entwickeln wird - und das Paradox: Geht sie dann anders als erwartet weiter, spielt das auch keine Rolle. Denn was am Ende geschieht, ist offenbar nicht der Punkt.

Am gelungensten vielleicht genau das: Bowles Geschichten wollen keine Moral oder keine Lehren bereithalten. Sie erzählen einfach vom Leben und wie es so kommen kann. Ende. Mir ist das zu wenig.