Willy Vlautin: Motel Live, 224 Seiten

Zum Glück hab ich die englische Ausgabe gelesen, sonst hätte ich das bekloppte Nachwort unseres deutschen darkness Dichter Clemens Meyer überblättern müssen, nachdem das Buch ein so richtiges, passendes Ende gefunden hatte.

Ich bin eine Weile um das Buch herumgestrichen, WEIL Meyer den Roman so penetrant abfeierte und solche Experten wie der MDR vom „großen Wurf“ reden, von einem grandiosen Roman, einer modernen Version des Roadtrip Romans.

Problem: Im Roman gibt es lediglich einen sehr kurzen Road Trip, dessen jähes, nur ironisch zu verstehendes Ende schon nach wenigen Seiten, die Tatsache unterstreicht, dass die Hoffnung durch Bewegung etwas anders zu finden als immer nur sich selbst, absurd ist.
Warum der Roman hier und auch in den USA so hochgejazzt wurde, könnte daran liegen, das die erfolgreichen Stoffe der letzten Jahre allesamt politisch oder kulturell sehr ambitioniert waren, Erzählungen aus fremden Kulturen oder Welten, aus der amerikanischen Mittelklasse oder gleich aus einem anderen Land.

Dicke Wälzer wie Middle Sex, The Corrections oder die weltläufigen, wilden Romane von Dave Eggers oder verwirrend religiösen von Denis Johnson, apokalyptische Studien wie The Road von Cormac McCarthy, Don Dellilos 9/11 Roman, Richard Fords 1000 Seiten Studie Lay of the Land des Amerikas vor Bush. Aber auch die Stories von Miranda July oder Lorrie Moore oder William Trevor: alles sehr dicht, sehr ambitioniert, intellektuell, gebildet, verrätselt und verschachtelt.


Vlautins Buch dagegen ist back to the roots: einfache Geschichte, einfache Sprache, reduzierte Spielorte, fünf oder sechs Charaktere, keine (erkennbare) Metaebende, kein Verwirrspiel, einfach kaputte Typen mitten in Amerika Heute. Der Roman gewinnt zeitlose Aktualität und verstrahlt Gelassenheit durch die gekonnte Wiederaufnahme uramerikanischer Motive.

Motel Life ist ein gutes Buch, sicher, aber es ist wie die Country und Folk Musik, die Vlautin macht und liebt, ein Buch, das die schon hundert mal erzählte Geschichten vom Scheitern der Träume, von jungen Menschen on the drift, von Drogenexezess und amerikanischer Doppelmoral, von vaterlosen Kindern nochmals erzählt. Good at heart, but too dumb to live. Und so weiter. Schön, aber irgendwie....nicht herausragend.
So tauchen in Motel Life musikalische Motive auf von On the road, von Western, von Roadmovies und scheiternden Trinkern, gesichtslosen Städten und robusten alten Männern, die einfache Wahrheiten über das Leben verkünden. Die gleichen Themen ziehen sich durch das Buch, wie in den tausend und abertausend Country und Folk Songs Amerikas.

Der Roman ist die nüchtern, karge Variante eines Country Songs, der so hart die Geschichten auch manchmal sein mögen, musikalisch immer versöhnlich und einlullend daherkommt. Nicht so der Roman. Der Titelheld ist ein guter Junge, dem hart mitgespielt wird vom Leben, genauso sein Bruder. Beide sind ziellos, haben aber eine Ahnung vom Leben, wie es sein sollte, sind nah an ihren Gefühlen, auch wenn die Welt es ihnen dabei nicht leicht macht. Man spürt, sie wollen nette Jungs sein. Aber dann passieren dumme und traurige Dinge, sie fällen dumme Entscheidungen und am Ende sind mehr Menschen als nötig tot. Und was bleibt, war auch schon vor Obama der Grundstoff amerikanischen Lebens und amerikanischer Kunst: HOPE

Hier noch ein schöner Song der Band von Willy Vlautin: Richmond Fontaine