Per Teo: Flut und Boden - Roman einer Familie, Klett-Cotta Verlag, 346 Seiten

Noch eine Nazigroßelterngeschichte? Ja schon. Aber anders. Eine Familienbiografie fern von Schuld und Sühne der Enkel oder Kindern und norddeutsche Weserlandschaft bevölkert von skurrilen Typen in einem Haus voller Geschichten - und dazwischen ein Sohn von dreien, der fast klassisch den gesellschaftlichen Aufstieg in der Nazizeit schafft, weil er in der pseudo-wisseschaftlichen Rassenforschung eine große Nummer wird und sich im selbigem Amt nach ganz oben rastert.


Nach dem Krieg übernimmt der die übliche Containerfunktion = alle anderen schieben ihr Nichtstun oder Mittun oder still Genießen von Heil, Vernichtung und Führerliebe nebst millionenfacher „Volksbereinigung“ auf den unzweifelhaft Aktiven. Und der verharrt in seinen Ideen auch lange nach ihrem gesellschaftlichen Ableben. Aber er wird oft wie das berühmte schwarze Schaf, der Ausreißer der Familie und dabei Kind seiner Zeit erzählt. Und um ihn geht es eigentlich nur unter anderem. Der Rest ist anspruchsvoll sprachlich wie Familie „einen macht“. Wie in vielen Enkelbüchern löst ein nachgelassenes Dokument (in anderen solcher Bücher war es ein Tagebuch, Briefe…) die schreibende Familienaufstellung aus und schickt den Enkel auf die Reise in die Vergangenheit seiner Familie.


Komplex, dann beschreibend, dann fast lyrisch und assoziativ erzählt, dann wissenschaftlich mit Exkursen in Schiffbau und Werftgeschichte wie im Moby Dick die Kapitel über Harpunen und Werkzeuge. Dialoge gibt es wenige. Nacherzählte Gespräche eher. Das Buch ist Sachtext mit fließender, erzählender Sprache, mit Beschreibungen, Gedanken und Vermutungen - fast ein Langessay, das sich Roman nennt. Familienerinnerung mit Anteilen einer eben sehr deutschen Vergangenheitssuche plus Hintergrund.


Wo sind die Linien innerhalb einer Familie, die den einen Bruder zum Nazi den anderen zum verschrobenen Schiff-Gucker machen? Welche Linien ziehen sich bis in die Gegenwart? Und wie passt der Enkel in diese Linien? Am Ende wird das Buch (wie schon vorher mit den Männern) eine Vater-Sohn Geschichte mit Ost-West Verknüpfung. Hier ist es am deutlichsten ein Roman und verlässt sich auf Figuren und Atmosphäre, während philosophischen Exkurse zu einem Buch über Rassenforschung etwas ermüdend sind und die Schiff- und Norddeutschland Exkurse nach nostalgischer Beschwörung eines Orts und einer Zeit klingt, die für den schreibenden Enkel zugleich verlockend und bizarr fremd erscheint.


CC