Phil Klay: Redeployment: Penguin Press, 291 Seiten

“I’m tired of telling war stories”, sagt Jenks zu seinem Kumpel, mit dem er an einem Ecktisch an der Bar auf zwei Frauen wartet. Und was werden diese Frauen hören wollen? Natürlich Kriegsgeschichten. In diesem speziellen Fall nur eine der beiden Frauen. Denn Jessie, die andere, war selber als Soldatin im Irak und obwohl ihr ein Finger fehlt und sie keine weiteren Probleme hat, hat sie die U.S. Army als 100-Prozent-behindert eingestuft. Um genauer zu sein, hat Jessie keine Probleme, die man sehen kann. Das ist bei Jenks anders. Im Gesicht hat seine Haut eine „boiled-pork-pink smoothness“, sie ist so rosa und glatt wie gekochtes Schweinfleisch – jedenfalls da wo er Hauttransplantationen bekommen hat. An den Wangen ist sie eher runzelig. Jenks‘ Mund ist ein Schlitz mit zwei dünnen Lippen, seine linke Gesichtshälfte ist nach oben verschoben, die rechte ist für immer erstarrt. Wegen diese Gesichts also soll Jenks immer Kriegsgeschichten erzählen.

„Redeployment“ ist eine Sammlung von Kriegsgeschichten, ein Dutzend Kurzgeschichten über den Irakkrieg, der doch eigentlich schon lange vorbei sein sollte – zumindest wenn es nach dem geht, der ihn begonnen hat. Weil dem Krieg, die Intentionen derer, die ihn beginnen, aber völlig egal sind, wird weiter gekämpft.


Phil Klay, Jahrgang ʹ83, war mit dem U.S. Marine Corps von Januar 2007 bis Februar 2008 in der irakischen Provinz Anbar als Pressoffizier. Romane und Kurzgeschichten über den Krieg sind nichts Neues, auch nicht, dass sie von Veteranen geschrieben werden. Klay hat das getan, was schon viele vor ihm getan haben: Er hat seine Erfahrungen in Erzählform verarbeitet. „I can’t think of a more important conversation. War is to strange to be processed alone”, sagte Klay, als er für Redeployment den National Book Award 2014 bekam.

Klay hat also nichts Neues gemacht, aber das was er gemacht hat, hat besonders eindringlich gemacht. Seine Geschichten spielen teils im Irak, teils in den USA. Sie beschäftigen sich mit ganz unterschiedlichen Themen, weil auch der Krieg ganz unterschiedliche Themen hat. Klay erzählt vom Kämpfen, allerdings wenig vom Kämpfen mit der Waffe. Es geht um das Kämpfen mit Unverständnis, mit den Kriegsfolgen, mit der eigenen Verzweiflung, mit bürokratischen Irrsinn und tödlicher Unfähigkeit. Klay schreibt über Soldaten, die endlich mal jemand umbringen wollen und über Soldaten, die Irakis befreien. Er schreibt über den Marine, der nur mit Leichen beziehungsweise Leichenteilen zu tun hat und den Officer vom Foreign Service, der die Wasserversorgung für die irakische Zivilbevölkerung wieder herstellen will und feststellt, dass stattdessen eine Baseball League für Kinder eingerichtet werden soll.


Klay schreibt aus der Ich-Perspektive mit immer anderen Erzählern in der Sprache der Soldatinnen und Soldaten. Diese Soldatinnen und Soldaten sind  sehr unterschiedlich und so variiert er die Sprache auf der Basis eines kühlen, sachlichen Tons, der aber nie ins Zynische abgleitet. Dazu gehören auch viele Abkürzungen und militärische Fachbegriffe. Wer sich noch nie mit Militärthemen beschäftigt hat, wird Recherchieren müssen oder so manches Detail nicht verstehen. Das kann man als Leser mühsam oder ärgerlich finden, ich finde diese Konsequenz des Autors logisch: Sie demonstriert, wie fremd den meisten Lesern Militär und Krieg sind. Die Schilderungen in dem Buch sind nicht extrem gewalttätig oder blutig; sie sind erst recht nicht heroisierend oder vordergründig emotional. Trotzdem habe ich fast nie zwei Geschichten hintereinander gelesen. Jede Geschichte kann für sich stehen und jede Geschichte muss man als Leser auch erstmal verdauen. Etwas Besseres kann man nicht über eine Kurzgeschichtensammlung sagen.

Steffen Wagner