Robert Seethaler, DER TRAFIKANT, kein & aber Pocket, 250 Seiten

Flüssig, weich, ruhig, dabei packend und entspannt erzählt ist dieser Roman. Ein Buch, das weniger durch die simple Geschichte besticht, sondern durch die Kombination aus Erzählton und Setting und Geschichte.


Ein junger Mann aus den Bergen Österreichs, ein Muttersohn, geht Anfang der 30er Jahre nach Wien, um dort in einem Trafik (Zeitungen &Tabak Kiosk) zu arbeiten, statt wie seine Klassenkameraden in den Wäldern, der Landwirtschaft oder dem Fremdenverkehr zu enden. Bei einem 1. Weltkriegsveteran und ehemaligen Liebhaber der Mutter lernt er das Geschäft, das vor allem aus Lesen und die Kunden kennen besteht.


Einer der Kunden ist der schon sehr alte Siegmund Freud, mit dem der Franz sich, nun ja, anfreundet. Der Anschluss, der Nazi-Irrsinn kommt mit jedem Tag näher während der Franz seine erste, ganz und gar unglückliche Liebe erfährt und vom Freund Freud wenig mehr gesagt bekommt als: Du kannst weiter auf sie hoffen und irre werden oder weitergehen und dir eine neue suchen. So einfach.

Sie rauchen immer mal wieder zusammen, während der alte Mann immer kleiner wird und irgendwann flieht. Der Franz versucht die Welt in sich und die da draußen zu verstehen. Aber es gelingt ihm nicht mehr.


Als dann die Nazis da und die Klemmnazis der Nachbarschaft keine Hemmungen mehr zeigen, wird’s brenzlig für den Chef vom Franz und ihn selbst. Ersterer kommt weg, Franz übernimmt, nur um irgendwann selbst in den Abgrund gerissen zu werden - nachdem seine große Liebe sich in jeder Hinsicht als schlechte Partie bewiesen hat - aber als sehr erfolgreich im Überleben.


Ein Kleinod Buch, im Ton irgendwo zwischen unbeschwert naiv mit dem Herz am richtigen Fleck. Und ein Buch über die Macht der Worte: die der Zeitungen, die einen bilden, die der Liebe, die einen (so sie ausbleiben) irre machen können, die der Freundschaft, die der Therapie und die des Hasses. Und das Buch selbst mit seiner kleinen Geschichte ja auch Beleg, dass es nicht immer darauf ankommt, was wir sagen, sondern wie wir es tun.


Christian Caravante