James Frey: Strahlend Schöner Morgen; Ullstein 590 Seiten

Mein längster Roman des Jahres, aber eigentlich kein Roman- selbst wenn er sich so nennt. Und leider auch das misslungenste Buch des Jahres. Es weckt Fragen, es weckt Wut, es ist die Karikatur eines amerikanischen Romans, der in Deutschland übersetzt wird: James Frey, ein (hier) unbekannter Autor, aber eben aus N.Y., was auch drittklassigen Autoren in Deutschland die Übersetzung sichert. Er war auch Drehbuchautor, war auch Regisseur, steht mit Vollbart (Anti) und weißem übergroßen T-Shirt (AntiAnti) auf dem Autorenfoto und hat natürlich allerlei Jobs gemacht vom Türsteher und Skateboard Verkäufer (cool, Jugend) bis zum Kellner. Gut, er hat zumindest ein erfolgreiches Buch geschrieben, an dem er (ganz Amerika untypisch) sieben Jahre gearbeitet hat: A million little pieces. Nur war das Buch und die zum Marketing verbreitete Geschichte leider eine Lüge, ob das Buch dewegen weniger wert war, darf angenommen werden, da sich viele Bücher heute über die vermeintlich tolle Biographie des Autors verkaufen. Das Nachfolgebuch, eben Strahlend Schöner Morgen ist jedenfall eine Lüge - wenn auch aus anderen Gründen.


Der Verlag wirbt mit Blurbs von Irving Welsh und dem Satz „Der ultirmative L.A. Roman“. Das ist - mit Verlaub - Riesenbullshit. Das Buch ist ein einziges Klischee,  begonnen mit dem Autor, der Vermarktung, der Atmosphäre im Roman und den Figuren.  Den Lektoren bei Ullstein erschien es aber eine sichere Nummer: L.A., ein paar sehr fragmentierte Geschichten a la Short Cuts (nur dass sich die Geschichten in diesem Buch nie berühren, was die eigentliche Kunst solcher Bücher aber darstellt), dazu Fakten, seitenlang belanglose Fakten und historische Daten und Schlaumeiereien über L.A., die den ohnehin nicht vorhandenen dramaturgischen Fluss und jedwede Art Spannung unter Null drücken.

Die Figuren sind wie von einem Team mittelmäßiger Fernsehserienautoren entworfen:


  1. 1.ein arroganter, saureicher, heimlichschwuler Superfilmstar, der eine Scheinehe mit einer heimlich lesbischen Superstar Frau führt, und der einen ehemaligen (Knie!) Footballstar vögelt, welcher erst als Opfer dieses Schmock erscheint, aber auch nur sein Spiel spielt, um am Ende ein paar Millionen zu haben. Sehr American Dream - jeder nimmt, was er kriegen kann. Aber schlecht erzählt.

  2. 2.Eine Mexikanerin, in USA geboren, aber die Eltern kleine Einwanderer. Sie hat dicke Beine. Und das ruiniert ihr Leben. Meint der Autor. Als sie (Klischee 108) dann in Haus einer superreichen, herrschsüchtigen, alten Schrulle arbeitet als Häusmädchen, um sich das Geld für‘s College zu sparen (Aufstieg!Aufstieg!) verliebt sie sich natürlich (Aschenputtel) in den Sohn der reichen Hexe. Gott-oh-gott...

  3. 3.Zwei Landeier aus Ohio, die vor ihren schlimmen Familien nach L.A. fliehen, ein bisschen Road Romantik und dann Großstadt Dschungel für die Kids. Er arbeitet bei Bikern (böööööse) und klaut denen Geld. Gewalt, Drogen, das Übliche. Der Bub liebt seine Kleine auch wenn sie in einem billigen Motel wohnen und sie wird schwanger und dann kommen die bösen Biker, als sie es gerade geschafft zu haben scheinen, sich aus dem Sumpf ihrer Herkunft zu befreien. Och, schade. Langweilig, leer, voller erwartbarer Entwicklungen und belangloser Nebenstränge.

  4. 4.Ein Penner mit Herz für Chablis (Drehbuchschule, ein ausgefallener Charakterzug braucht jede Figur) und ein obdachloses Mädchen, will helfen, was einen Kumpel das Leben kostet und ihn, ja, irgdendwie nicht verändert. Die belangloseste, schwächste der vier schwachen Geschichten.


Außer von diesen vier Typen (im wahrsten Sinn) erfahren wir noch von ein paar dutzend anderen Figuren, oft namenlos, die aber alle, wie auch die Vier, nur in Figurenskizzen geschildert werden, so als sollte er wirkliche Roman noch geschrieben werden, nur hat da die Ambition und/oder Fähigkeit des Autors nicht gereicht. Drehbuchmässig wird Doppelpunkt-Dialog dazwischengeschoben und viele, viele soziologisch, historisch vielleicht interessante Fakten über L.A., welche Gangs wo, welche Schauspieler, welche Korruption, Umweltzerstörung, Einwanderer, welche Straßen und Highways es gibt usw usf.., aber all das schafft keine Stimmung, kein Verständnis, kein Buch.


Da wollte einer - eben auch ganz amerikanisch oder L.A. im Anspruch - eine erschöpfende Studie, DAS Buch über L.A. abliefern. Alles zusammen ergibt kein Ganzes, ist disparat und prätentiös. 600 Seiten Ödnis wie im L.A. nahen Death Valley. Mein Tip: L.A. Crash gucken. Oder Short Cuts. Oder Brown Bunny. Oder L.A. Confidential. Oder das Buch Ecology of Fear von Mike Davis lesen - das alles ist 100 mal unterhaltsamer, klüger und bewegender und erschreckender als dieses zusammengehauene, konzeptlose, leere, Möchtegern-Großautoren Ding.