Diedrich Diederichsen, The Sopranos, diaphanes booklet, 111 Seiten














Ein Buch über die Sopranos, oder genauer gesagt, eine detailierte, recht brainige (und daher angemessene) und kluge Beschäftigung mit der TV Serie, die TV Serien für immer veränderte. Und die großartig ist, ist, ist, ist.


Die Hauptfrage, der Diederichsen nachgeht: Was ist der Suchtfaktor der Sopranos, warum lassen wir uns hunderte Stunden von einem fetten, fiesen Typen zum Mitfühlen und Bangen verführen, warum akzeptieren wir Mord, Lügen, Betrug, Rache, Beschimpfungen, Doppelmoral und Verkommenheit - und mögen die Typen irgendwie doch sehr, als gehörten WIR auch zur Familie. Die Antwort lieg in der Frage und in 100 Seiten Essay, die Diederichsen schreibt: Wir werden Teil der Familie und lernen akzeptieren, dass „manche Dinge getan werden müssen“. Und dass so mancher, „es nicht besser verdient hat“. Man gehört dazu und lebt doch nicht dort, würde nie solche Klamotten tragen oder sein Haus so einrichten, würde nie diese Frauen heiraten oder einen Kellner umlegen, weil er frech wird.... aber man kann es sich vorstellen. Und manches würden wohl viele gern mal tun.


Das Büchlein versucht gar nicht erst chronologisch die Geschichte über 6 Staffeln aufzudröseln oder all die kommenden und gehenden Charaktere zu erzählen. Überhaupt gelingt es dem Buch genug zu analysieren und zu verraten, dass man The Sopranos für eine geniale Serie hält, ohne genau zu wissen, was geschehen wird - abgesehen von einigen Details und einzelnen Episoden, die näher beleuchtet werden. Tony wird beschrieben und auseinandergenommen und wieder zusammengesetzt, seine Frau Carmela ebenso, mal geht es um die Schauspieler und die Querverweise zu anderen Mafia Filmen, dann wieder um die Figuren und die Querverweise innerhalb der Serie, dann wieder um das Geschehen und die Querverweise auf Musik oder andere popkulturelle Bezüge, die alle in der Serie zu finden sind. Deshalb ist jeder Folge (von einigen, wenigen Ausnahmen abgesehen) so stark: Weil jede von vorn bis hinten und in die Tiefe durchdacht ist, bis hin zur Abspannmusik, die jedes mal anders ist und Bezug nimmt auf das Gesehene - eine Methode, die nun auch in anderen Serien benutzt wird.


Über die Serie muss man nicht mehr erzählen. Aber warum sollte man ein Büchlein zur Serie lesen, wo doch „Bücher zum Film“ - eine 80er Jahre Sitte - zum Glück untergegangen sind. Diederichsen spürt dem Phänomen Sopranos nach, bietet Analyse um Aufklärung und eine Warnung: SUCHTGEFAHR. Auf DVD hat der Süchtige jederzeit Zugang zur Droge. Die Folgen dürften klar sein. Und ich kann sagen, sie wirkt. Warum alles so gut funktioniert, warum sogar die heiß debattierte Ende der Serie, die letzten Minuten der letzten Folge so unglaublich passen, erläutert Diederichsen sowohl psychoanalytisch wie dramaturgisch wie filmwissenschaftlich mit großem Erkenntnisgewinn, mit Detailliebe und der erkennbaren Abhängigkeit von dem Stoff, aus dem die Sopranos sind: Wahrheit und Fiktion.