Haruki Murakami: What I talk about, when I talk about running - a memoir

Alfred A Knopf, 2008, 180 Seiten

Der Titel des Buchs ist angelehnt an Raymond Carvers „What we talk about, when we talk about love“ (das Murakami übersetzt hat) und hätte auch genau so heißen können. Denn auch Murakamis Buch handelt von der Liebe, der Liebe zum Laufen und Schreiben. Es ist weder ein Sportbuch, noch eine Trainingsanleitung, kein spiritueller Lauf- und Schreibführer oder ein Essay oder eine Biographie - sondern irgendwie alles zusammen und nichts davon.


Murakami läuft seit über 25 Jahren jeden Tag mindestens 10 Kilometer und einen Marathon pro Jahr und in letzter Zeit vermehrt Triathlon. Nur Krankheit, Sturm und Schnee halten ihn vom strikten Training ab. Sein Selbst als Läufer hat heute viel mit ihm als Autor zu tun, sagt er. Deshalb fragt er sich, was für eine Art Schriftsteller er geworden wäre, wenn er schon damals als er Autor wurde, mit dem Laufen begonnen hätte. Er betrieb damals aber eine Jazzbar und entschloss sich von Heut auf Morgen einen Roman zu schreiben. Das Laufen kam später - mit dem gleichen von-heut-auf-Morgen Impuls. Beides ist ihm bis heut geblieben.


Murakami sieht im Langstreckenlaufen viele Parallelen zum Schreiben wie andere Autoren vor ihm, die sagten: Schreiben ist 5 Prozent Inspiration, 95 Prozent Transpiration. Es geht um durchhalten und „finishen“. Einen Roman zu schreiben, ist wie ein Marathon, anstrengend und eine sehr einsame Sache - Durchhalten ist das Entscheidende, dann wird man zum anderen Menschen.

Murakami meint, im Langstreckenlaufen gehe es für 95 Prozent der Läufer nicht ums gewinnen, höchstens gegen sich selbst oder oder die Uhr. So ist das beim Schreiben auch. Es gibt keinen echten Grund so viel zu laufen oder zu schreiben - es sei denn man will es. Was andere machen, ist ihre Sache.


Das Buch ist auf „weiten Strecken“ eine Meditation über Landschaft beim Laufen, das Wetter beim Laufen, die Veränderungen des Körpers und der Wahrnehmung durch das Laufen, über Pulsfrequenzen und Strecke/Zeit Verhältnisse. Manchmal wegen all der Details etwas ermüdend: genauso ermüdend wie wenn man mit ein paar Surfern oder Seglern abends beisammen sitzt und diese stundenlang von auf- und ablandigen Winden, Segelgrößen, Knoten und bestimmten Manövern schwadronieren. Man muss es machen um Interesse am Reden darüber zu haben.


Schöne Erkenntnisse für alle Läufer und Schreiber: Murakami muss sehr sehr oft seinen inneren Schweinehund überwinden, indem er sagt: Herrgott, ich kann vom Schreiben leben, meinen Tag selbst einteilen, muss nicht zu einem Büro pendeln, wenn ich es nicht hinbekomme mir diese Disziplin abzuringen, kann ich es auch mit dem Schreiben irgendwann lassen. Denn er begreift seine Fitness tatsächlich aus Voraussetzung, weiter zu schreiben und mit dem „Gift“, das diese Arbeit für Körper und Geist meist ist, zu begegnen: Dem partiellen Autismus, der Egozentrik, der Psychologisierung aller Lebensbereiche, dem Drang allem (auch dem eigenen Leben) eine Narration abzuringen und dem vielen Alleinsein und Denken und Zweifeln. Laufen macht das Hirn blank und den Körper stark.


Doch wie in einem Roman erleidet auch der Held in diesem Buch eine Krise, den so genannten Runners Blues, nachdem er einen Ultra gefinisht hat. Hernach verliert Murakami den Antrieb und die Lust am Laufen für lange Zeit. Er sucht in all dem immer eine Metaebene, einen psychischen Grund, eine philosophische oder charakterliche Erklärung, denn an seiner Fitness zweifelt er nicht. Die Punchline seiner SchreiblaufLebensphilosophie: „Exerting yourself to the fullest within your individual limits.“


Jeder emotionale/oder körperliche Schmerz ist der Preis, den man bezahlen muss, um unabhängig zu werden: eine philosophische Erkenntnis die das Leben zu einem Marathon macht: die lange, schmerzhafte Wiederholung des Immergleichen: Ziele setzten, loslegen, es schaffen oder auch nicht - in jedem Fall: weitermachen. Oder aufhören. Halbe Sachen sind vollkommen sinnlos.