Re-Read: Richard Ford, The Sportswriter / Der Sportreporter bloombury 367 Seiten / rowohlt, 490 Seiten

Es gibt immer wieder Phasen, da muss ich Richard Ford lesen - und von seinem umfangreichen Werk vor allem die Bascombe Trilogie (die vielleicht noch ein weiteres Buch bekommen wird...). Was fasziniert so sehr an diesem Mann über tausende von Seiten über einen sehr normalen Typen aus New Jersey mit seinen Mittelklasse Problemchen?


Der Sportreporter als Teil 1, Frank ist Ende 30, lebt als Sportreporter und verlebt ein zuerst nur bewegtes, dann irgendwann beschissenes Osterwochenende. Unabhängigkeitstag ist Teil 2 und Frank ist nun 44. Wieder konzentrieren sich die momentanen Entwicklungen und Haltungen rund um einen Feiertag, den Unabhängigkeitstag 1988. Schließlich Die Lage des Landes, das Thanksgiving im Jahr 2000 spielt, kurz vor der Wahl von George Bush und vor dem 11.9.2001, der das ganze Land für immer veränderte (sehr schöner Essay über die Trilogie hier).

Wir altern in diesen 15 Jahren mit dem Mann und seinen Gedanken und erleben, vor allem über die gesamte Länge der Trilogie, wie wenig Frank aber auch wir selbst unser Fühlen und Denken, die Art wie wir die Welt wahrnehmen tatsächlich ändern können, auch wenn die Partner, die Häuser, die Jobs, die Freunde sich ändern und das ganze Land sich ändert. Ein Paradox des Lebens.


Teil 1 ist vielleicht der mühsamste der drei, weil die Figur des Frank mitunter in seiner Anpassung und Konfliktvermeidung, in seiner tastenden Suche, seiner fast peinlich jesusartigen Umarmung aller Angriffe und Zumutungen nervt, anstrengt und zum Wahnsinn treiben kann. Das englische Original immer wieder im Wechsel mit der deutschen Übersetzung zu lesen war ein erhellendes Experiment, denn fast schien es, als ändere sich Franks Stimme in meinem Kopf, je nachdem ob er in Englisch oder Deutsch von sich und dem Leben da drüben in New Jersey erzählte. Aber das Buch ist voller kluger Dinge über das Leben, ja fast Aphorismen, die man sich an die Wand hängen kann: „Too much truth can be worth than death - and last longer“, bei dem man lachen muss, das aber wohl richtig ist.


Auftakt ist ein Treffen auf dem Friedhof mit seiner Ex-Frau, die er am Grab ihres Sohnes zum Jahrestag trifft. Ein düsterer Auftakt eines sich nicht gerade immer schneller, aber doch allmählich in Richtung eines Knalls drehenden Wochenendes. Die Reise mit seiner Freundin geht schief, sein Interview mit einem alten Sportler ebenso (bei beidem, lernt man viel über Franks seltsame Art, die Welt zu sehen und zu beschreiben), der Besuch bei den Schwiegereltern der Freundin endet im Desaster, wie der Besuch eines einsamen Freundes aus Franks „Geschiedene Männer Club“ - zwischendrin trifft er kurz seinen Sohn am Auto (die Kinder sind in seinen Gedanken, aber er sucht nicht gerade ihre Nähe), ein paar wirren Begegnungen mit Nachbarn und Mitbewohnern und in Kneipen. Bis alles schließlich in dem Tod einer der Beteiligten und einer Flucht kumuliert. Ein Flucht, so im Epilog, die tatsächlich neues bringt, den spürbaren, von Frank ständig bekämpften, unterdrückten, selbst-verhinderten Aufbruch zu neuen Ufern nämlich - weg von den Gedanken, was er tun sollte und tun könnte. Weg von der seltsamen Oberfläche, die Frank zu lange schon als Ersatz des Lebens genügte. Franks Beruf als Sportreporter (in diesem Teil der Trilogie) war der richtige. Er sagt darüber: „I am content... to think of Sportswriting not as a real profession but more as an agreeable frame of mind, a way of going about things  rather than things you exactly do or know.“ Auch das wird sich ändern - wenn auch nicht ganz neu werden.


Mit Blick auf die weiteren Bücher über diesen „Middleman“, einst talentierter Autor, dann vom Leben gebeutelt, aber mit einer fast schon idealtypischen Optimismus bis an den Rande der Naivität ausgestattet, wird man sagen müssen: Er bleibt sich immer treu. Denn was er wirklich gut kann, ist in detaillierter Selbstbetrachtung und Beschreibung und in seinem guten Blick auf die Umwelt und zumindest schlüssige (wenn auch nicht immer zutreffende) Erklärungen zu liefern, warum dies oder jenes geschieht oder dieser oder jener jetzt genau das sagt oder tut. Er sagt auch Bedeutsames über das Land als Ganzes, seine Vorstellung von sich, die Mentalität der Bewohner in New Jersey - immer schon Inbegriff von Weite&Langeweile - in der Nähe von New York (das Frank albern Gotham nennt), Inbegriff für Weltstadt, multikulti, Brummen und Rasen. Dieser Frank Bascombe denkt über das Leben an sich und das amerikanische im besonderen nach und ist dabei mal witzig, mal hellsichtig, mal bös, mal melancholisch - aber nie zynisch.


In was ich mich in der Richard Ford Erzählweise verliebt habe, und immer wieder verliebe, ist dieses Gefühl, dass in all den banalen Dingen, dem dödeligen Altag, der uns fest im Griff hat, in all dem Wollen und Nicht-Können und Machen-Müssen das Leben steckt, in dem wir sichtbar werden. Das sind wir. In all den Möglichkeiten um uns, müssen wir uns doch für eine entscheiden, EINE Person sein und können doch teilhaben in diesem unendlichen, unüberschaubaren aber auch ein bisschen geheimnisvoll spannenden Netz aus menschlichen Kontakten, Wünschen, Taten und Idealen.

Der Sportreporter wie alle anderen drei Bücher handeln davon: Von einem Mann nämlich, der sein Ansichten hat, nicht immer richtig, nicht absolut gesetzt, aber der schaut, dass er irgendwie zurecht kommt ohne viel Unheil anzurichten, der aber verdammt noch mal glücklich sein will. Der auch Fehler macht und in all dem ein Typ ist, der eine Geschichte erzählen kann. Von sich und seinem Land.